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Musikunterricht vorm Computer: Läuft das gut?

Von Christine Gerhard, erschienen im Nordkurier (Müritz-Zeitung) am 24.4.2020
Die Musikschule hat sich in Sachen Fernunterricht eingespielt. Den Präsenzunterricht können Videokonferenzen zwar nicht ersetzen. Doch das Online-Musizieren hat auch ungeahnte Vorteile.

Ein erstes Zwischenfazit

„Besser als nichts“, so klingt das Zwischenfazit der Lehrer und Lehrerinnen an der Kreismusikschule Müritz nach mehreren Wochen Fernunterricht. Ein Ersatz für die persönliche Betreuung ist der allerdings nicht, darüber sind sie sich einig. „Was die Schüler schon können, kann man so gut ausbauen und halten“, sagt Ursula Linke, Leiterin der Musikschule, die wegen der Corona-Pandemie zunächst weiter geschlossen bleiben muss. „Wir werden aber ohne den Präsenzunterricht wenig Fortschritte machen können.“ Zumindest auf das Abschneiden beim diesjährigen „Jugend musiziert“-Wettbewerb hat das keine Auswirkungen. Denn er bleibt offen: Die ausstehenden Landesentscheide und der Bundesentscheid fallen aus, im nächsten Jahr soll der Wettbewerb dann in eine neue Runde starten. Schade für die Qualifizierten, findet Ursula Linke. „Die Schüler haben es angefangen und können es jetzt nicht abschließen. Wir konnten nicht einmal ein Konzert mit ihnen machen.“

Schüler ziehen mit Disziplin und Eifer mit

Nachdem zu Beginn der Corona-Krise alles aus dem Takt geraten war, hat sich auch die Musikschule inzwischen wieder etwas eingespielt. Die Lehrer und Lehrerinnen haben in den vergangenen Wochen experimentiert und sich in das digitale Unterrichten eingearbeitet: Über Videokonferenzen, Telefonate oder eine App versuchen sie, den persönlichen Unterricht so gut es geht zu ersetzen. Sie tauschen Lehrvideos gegen Bild- und Tonaufnahmen aus, mit denen die Schüler ihre Fortschritte dokumentieren, Noten werden auch per Post verschickt. Einige Schüler seien herausgefallen, berichtet Ursula Linke, zum Teil auch wegen der vielen Schulaufgaben oder weil sie auf der Arbeit gerade besonders gefordert sind. Viele nehmen das Angebot als Alternative zum Unterrichtsausfall aber gerne an, wie eine Umfrage unter dem Lehrpersonal zeigt. „Die Reaktion war positiv“, resümiert etwa Klavierlehrerin Viktoria Zimmermann. Dabei scheinen viele Kinder im „Homeoffice“ überraschend diszipliniert zu sein. „Was erstaunlich gut funktioniert hat, war, dass alle Schüler zur verabredeten Zeit spielbereit vor dem Handy saßen“, freut sich die stellvertretende Schulleiterin Anke Berger.

Ein Loblied auf die Fernbeschulung ist die Umfrage aber trotzdem nicht:

Die schlechte Tonqualität und die zeitversetzte Übertragung bei den Videoanrufen erschweren den Musikunterricht. Hinzu kommt, dass nicht alle Kinder über die erforderliche Technik verfügen. Oft sei kein Computer oder Smartphone oder schlichtweg kein Netz vorhanden, wissen die Lehrer. Doch auch die stärkste Internetverbindung könnte die Distanz des Onlineunterrichts nicht überbrücken. „Ein Klavierlehrer muss den Kindern auf die Finger schauen können“, meint Volker Muchin. Gemeinsam zu musizieren und auch die Haltung zu korrigieren ist schwierig, wenn Schüler und Lehrer nicht im selben Raum sitzen. „Es ist etwas anderes, als wenn man daneben steht und auch einmal die Hand führen kann“, weiß auch Ursula Linke. „Das direkte Reagieren funktioniert online nicht halb so gut.“

Spaß kann das Musizieren aber weiterhin machen.

So berichtet Geigenlehrer Frank Philipp, dass ihm etwa das Unterrichten per Whatsapp-Video in der Förderklasse viel Freude bereitet habe. „Alle waren sehr engagiert dabei.“ Und der Fernunterricht birgt auch ungeahnte Chancen. Eine Lehrerin bringt ihren Schülerinnen und Schülern nun Themen näher, die sonst im Unterricht kaum behandelt werden. So führte sie die Kinder unter anderem ins „Pippi Langstrumpf“-Ballett aus, ganz kontaktlos per Fernsehübertragung, und stellte dazu Aufgaben.

Technische Ausstattung soll verbessert werden

Die Fernlehre fördere zudem die Selbstständigkeit, wissen die Lehrer. Gerade das scheint einigen Kindern gut zu tun: „Manche entwickeln großen Ehrgeiz und arbeiten zwei Tage an einer Aufnahme, die dann perfekt sein soll“, erzählt Ursula Linke. Auch die Möglichkeit, sich die eigenen Aufnahmen selbst noch einmal anzusehen, ist ein Vorteil. „Wir machen das Beste daraus“, fasst Ursula Linke zusammen. Trotzdem hofft sie, dass zumindest der Einzelunterricht bald wieder stattfinden kann. Dann wird auch die Musikschule eine andere sein: „Wir werden digital besser aufgestellt sein“, sagt die Leiterin. In dieser Hinsicht sei die Musikschule nicht auf die Corona-Krise vorbereitet gewesen. Jetzt arbeite sie daran, die digitale und technische Ausstattung zu verbessern.